Neurokognitive Rehabilitation

Das Ziel

Das Ziel der neurokognitiven Rehabilitation ist die Reorganisation des zentralen Nervensystems, das sich nach einer Schädigung in einem pathologischen/veränderten Zustand befindet. Durch die gezielte Aktivierung von kognitiven Prozessen bei Patient*innen soll das zentrale Nervensystem in programmierter Weise angeregt werden, wodurch im gesamten System, also im Gehirn und letztlich im Bereich der Muskelkontraktionen Veränderungen hervorgerufen werden sollen, die ein möglichst physiologisches Bewegungsverhalten ermöglichen.

Die Entwicklung

Das Konzept entstand Anfang der 1970er Jahre von Prof. Carlo Perfetti (Italien) ursprünglich speziell für Hemiplegiepatient*innen und hat sich in den vielen Jahren stets weiterentwickelt, von dem Konzept der „kognitiv-therapeutischen Übungen“ zur „neurokognitiven Rehabilitation“. Die Ergebnisse aktueller Wissenschaft, der interdisziplinäre Austausch und die praktische und experimentelle Arbeit mit Patient*innen sind die Basis für diese Fortentwicklung und der „Auftrag“ von Prof. Perfetti.

Seine Theorie ist auf einen epistemologischen (erkenntnistheoretischen) Prozess zurückzuführen, der auf die Erkennung von Problemen und die damit verbunden Bildung von innovativen Hypothesen basiert, die in der therapeutischen Arbeit mit Patient*innen überprüft werden. 

Im Sinne von Perfetti gibt es keinen Stillstand, keine fertige Theorie und keine endgültigen Ergebnisse in der Therapie. Alle sind aufgefordert, weiter zu studieren, zu forschen und „Misserfolge“ als Motor für die Suche nach neuen neurokognitiven Denkansätzen zu sehen.

In den frühen 1970er Jahren beschrieb Prof. Carlo Perfetti die Theorie seines Konzepts, indem er den Begriff der kortikalen Fazilitation definierte: Die Übungen sollten nicht dazu dienen, Reflexe hervorzurufen, sondern kognitive Prozesse aktivieren (Califfi, A.; Rundbrief 22, 2017).
„Der Hemiplegiker lernt sich zu bewegen, nicht nur und nicht so sehr beim sich bewegen, sondern vor allem durch das Denken“ (Perfetti, Grimaldi, Orsini, 1973). 

Das Konzept der „kognitiv-therapeutischen Übung“ entstand. Die Übung wurde als „therapeutisch“ bezeichnet, weil sie das Ziel einer qualitativen Verbesserung der Bewegung hat. Außerdem handelt es sich um spezifische Erfahrungen innerhalb der Therapie, die für das Wiedererlernen einer bestmöglichen Bewegung hilfreich sind.
Der Begriff „kognitiv“ bedeutet, dass die Übung ein Mittel ist, um Erkenntnisse und Informationen zu erhalten und hebt die Bedeutung von Bewegungen als Schlüssel zur Interaktion mit der Außenwelt hervor. Diese Interaktion mit der Welt entspricht der Eigenschaft des Systems Mensch, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.

Für die Rehabilitation ist es daher bedeutsam zu verstehen, dass jede Veränderung und Reduzierung von Bewegungsmöglichkeiten eine verminderte Fähigkeit zur Folge haben, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten.

Die therapeutischen Interventionen sind Lernprozesse und „die Qualität der Genesung des Patienten, egal ob sie spontan oder von einem Spezialisten der Rehabilitation geführt, hängt sehr stark von der Art der aktivierten kognitiven Prozesse und vom Modus ihrer Aktivierung ab.“ (C. Perfetti, 1997).

Die Reorganisation des Zentralen Nervensystems

Die Reorganisation des Systems soll also durch die Aktivierung programmierter Lernprozesse geschehen. Ohne Aufmerksamkeit ist dies nicht möglich. Daher nimmt die aktive und gerichtete Aufmerksamkeit der Patient*innen einen besonderen Stellenwert ein. Indem Patient*innen die Aufmerksamkeit gezielt auf bestimmte Elemente des Körpers lenken (gelenkter Wahrnehmungsprozess), lernen sie die Komponenten der Spastizität nicht entstehen zu lassen bzw. eigenständig zu kontrollieren. Nicht mehr Therapeut*innen sollen fazilitierend oder inhibierend eingreifen, sondern die Patient*inn sollen lernen, die kognitiven Fähigkeiten einzusetzen, um die pathologischen Elemente selbst kontrollieren zu können.

Die kognitiven Prozesse

Die kognitiven Prozesse stellen daher die Arbeitsinstrumente dieses Konzeptes dar. Weder die abstrakte Muskelkräftigung, noch die Reflexaktivierung werden als Arbeitsmittel verwendet, sondern Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wahrnehmung, aber auch die Vorstellungskraft und die Sprache.

Auch die motorische Imagination ist zu einem bedeutenden Mittel geworden, denn viele wissenschaftliche Arbeiten haben bewiesen, dass die motorische Imagination zumindest einen wichtigen Teil der Bewegungsplanung darstellt. Das gezielte Vorstellen von Bewegung dient also dem Bilden der korrekten Bewegungsplanung und damit dem Wieder-Erlernen von physiologischen Bewegungen.

Die Sprache hat besonders in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, sowohl die Sprache des Therapeuten, die gezielt eingesetzt wird, um die Denkprozesse der Patient*innen zu lenken, als auch die Sprache bzw. die Beschreibung der Patient*innen, welche es ermöglicht, eine introspektive Sicht des bewussten Erlebens zu erhalten. Dadurch wird die Interpretation seiner Pathologie, die Planung der Behandlung, also auch das verbale Lenken während der Übung, umso exakter möglich.