In Memoriam Carlo Perfetti

Mit großer Bestürzung haben wir die Nachricht des Todes von Prof. Dr. Carlo Perfetti erhalten, der am 30. Dezember 2020 verstorben ist.

Mit ihm verliert die Rehabilitation nicht nur einen hervorragenden Forscher, sondern auch einen Denker von prägendem wegweisendem Charakter. Er war ein Lehrer und Ausbilder von hervorragendem Niveau.

Er wird uns in Erinnerung bleiben als der Vater der neurokognitiven Therapie mit ihren Anwendungen in verschiedenen Fachbereichen.

Zu mir ist sein Engagement für die Rehabilitation als eine bewegende Leidenschaft herübergekommen. Zweifelsohne ein Gefühl, das viele von uns mit mir teilen.

Das Wirken von Professor Carlo Perfetti hat das Verständnis von der Bedeutung der “Rehabilitation” und was sie inhaltlich sein sollte, nachhaltig geprägt. Seine wissenschaftlich untermauerte Vision der Rehabilitation war initial bahnbrechend. Sie hat ihre prägende Inhaltlichkeit mit der Zeit nicht verloren.

Die große intellektuelle Prägnanz der Lehre Perfetti‘s war immer wieder in der Lage, neues Licht und neue Dimensionen aus den klinischen und wissenschaftlichen Daten hervortreten zu lassen.

Die menschlichen Aspekte sind dabei nie zu kurz gekommen. In seiner Lehre der Rehabilitation ist der Patient nicht einfach nur jemand, der von außen geführt Übungen durchführt. Im Gegenteil, er bleibt im Zentrum des Studiums seiner einmaligen persönlichen Dimension der Interaktion mit der Welt. Keine andere Therapie hat eine solche Haltung derart erfolgreich verwirklichen können. Eine solche Haltung kann nur mit einer unermüdlichen Auseinandersetzung mit den alltäglichen Beobachtungen während der Arbeit mit dem Patienten erreicht werden. Es wird somit verständlich, dass dabei die Rolle der Therapeut/innen eine zentrale Bedeutung erlangt hat. 

Die persönlichen Diskussionen mit Prof. Perfetti seit Anfang der 1990-er Jahre haben mein Werden auf fachlicher und kultureller Ebene tief beeinflusst. Meine Patienten haben sehr davon profitieren können. Ich werde ihm immer für die unvergesslichen kritischen Auseinandersetzungen mit den gemeinsam diskutierten fachlichen Themata dankbar sein. Seine Geistesgröße und schöpferische Persönlichkeit hatten die Gabe, neuen Weltanschauungen die Tore zu öffnen.   

Mein Engagement in unserem Verein hat die treibende Kraft in seiner inspirierenden Lehre und in seinem unerreichbaren Beispiel des klaren Denkens gehabt. Viele von uns haben dasselbe erlebt. Wir können ihn nur dankbar in Erinnerung behalten.

Dies am besten mit größtem Respekt. Respekt erweisen bedeutet, seinen grundlegenden denkerischen Nachlass zur Anwendung bringen: Lernen und nochmals lernen, die Literatur kritisch studieren (nicht nur die fachliche), die menschliche Dimension der Patienten im Zentrum des Interesses stellen. 

Ich hoffe, dass auch in Zukunft unser Verein den Interessenten weiterhin die Möglichkeit bietet, die Lehre von Prof. Perfetti kennen zu lernen und die Begeisterung dafür weiter zu tragen.

Seine Schule und die vielen hervorragend in ihrem Rahmen ausgebildeten Therapeutinnen haben auf internationaler Ebene tiefgreifend die Entwicklung der Rehabilitation beeinflusst. Das ermöglicht zu haben ist ein wichtiger Verdienst Perfetti‘s.

Wir sind alle traurig, dass Prof. Perfetti nicht mehr unter uns weilt. Tröstend wirken sein kultureller Nachlass und die tiefe Überzeugung, dass wir das Glück gehabt haben, in den Genuss seiner Lehrtätigkeit und seinen genialen Gedanken gekommen zu sein. 

Fabio Mario Conti
Ehrenpräsident des VFCR