Für Patient*innen

Prof. Perfetti (1940-2020) war der europaweit bekannte italienische Neurologe/ Rehabilitationsarzt. Er beschäftigte sich Jahrzehnte mit der Neurorehabilitation.

In den 1970er Jahren begann er, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse, ein eigenes und heute sehr erfolgreiches Therapiekonzept zu entwickeln.

Prof. C. Perfetti

Das Konzept wird bei folgenden Erkrankungen eingesetzt

  • Neurologische Störungen wie: Schlaganfall, Schädelhirntrauma, Parkinson, Multiple Sklerose, Gehirntumor, Rückenmarksverletzung, ICP (……) bei Kindern
  • periphere Nervenläsion
  • Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen nach Verletzung / Fraktur / Entzündung
  • Schmerzpatienten, CRPS (…..) Patient*innen

Grundlagen

Eine Grundlage des Therapiekonzeptes besagt, dass man die Fähigkeiten des Menschen wie Bewegung, Wahrnehmung und mentale Leistungen nicht isoliert betrachten darf. Sie bilden eine funktionelle Einheit, die nur im Zusammenhang, im Miteinander das Erkennen ermöglicht.

Kognitiv“ kommt von dem lateinischen Wort „cognoscere“ und bedeutet „erkennen“. Das scheinbar simple Ergreifen eines Glases ist ein komplexer Erkennungsprozess; das Erkennen der Gelenksstellung, der Muskelspannung, der glatten Glasoberfläche, des Gewichtes und einiges mehr.

Große Bedeutung für den Erkenntnisprozess hat daher die Wahrnehmung. Nur bei einer funktionierenden Körperwahrnehmung erhält das Gehirn jene wichtigen Informationen vom Körper und der Umwelt, die es für die Planung und Ausführung der Bewegungen benötigt.

Die Wahrnehmung stellt also einen wichtigen Teil der Bewegung dar. Bewegung erzeugt Informationen und diese Informationen ermöglichen das Entstehen von Bewegungen. Ist dieser Informationskreislauf gestört, können keine physiologischen, normalen Bewegungen entstehen.

Auch die Aufmerksamkeit ist von großer Bedeutung. Gezieltes Lernen, egal in welchem Bereich, ist ohne zielgerichtete Konzentration nicht möglich. Über das Schließen der Augen während der Übungen kann die Aufmerksamkeit leichter auf den Körper gelenkt werden. Wir können nur dann Informationen vom Körper aufnehmen, z.B. verschiedene, geführte Bewegungen des Beines erkennen, wenn wir uns auf diesen Körperbereich konzentrieren bzw. dort hinspüren. Damit wird erreicht, dass die für diesen Körperbereich zuständigen Gehirnareale aktiviert werden.

Nicht nur durch das bewusste Hinspüren, sondern auch durch das Vorstellen von Bewegungen soll der Lernprozess unterstützt werden. Patient*innen erspüren oder imaginieren Bewegungen am nicht betroffenen Arm und sollen sich nun diese Bewegung in gleicher Weise am betroffenen Arm vorstellen. Somit entsteht schon eine Idee, wie die Bewegung korrekt ausgeführt werden soll.

Wenn wir „erkennen“, dann vergleichen wir immer mit früher gemachten Erfahrungen, wodurch das Gedächtnis angesprochen wird. Darum ist auch der bewusste Vergleich zwischen dem, was Patient*innen in der Übung gespürt haben und der Erinnerung eine frühere, normale Bewegung ein bedeutender Teil im Lernprozess geworden.

Bei anderen Therapiekonzepten „bearbeitet“ der Therapeut den Arm, das Bein oder auch den Rumpf von Patient*innen mit verschiedenen manuellen Griffen, sie selbst sind dabei mental wenig bis gar nicht beteiligt. Sie stellen sozusagen „den Köper zur Verfügung“.

Bei der Neurokognitiven Rehabilitation wird in erster Linie die Reorganisation des Gehirns angestrebt, um somit die Bewegungsplanung wiederherzustellen. Durch den Schlaganfall z. B. hat nicht der Muskel einen Schaden erlitten, sondern das Gehirn. Dieses kann seine Arbeit, die Steuerung der Muskulatur, nur noch bedingt ausführen. 

Die Hauptaufgabe des Therapeuten besteht nun darin, den Patient*innen bestimmte Dinge, die im Körper ablaufen, bewusst werden zu lassen. Sie sollen durch die Hilfe des Therapeuten lernen zu erspüren, welche Bewegungen falsch und welche richtig sind, wie sich Muskulatur anfühlen soll, damit eine fließende, normale Bewegung möglich wird.

Nicht mehr das manuelle Zutun des Therapeuten soll die „spastische“ Muskulatur der Patient*innen verändern, sondern das aktive Hindenken und Hinspüren. Durch den Einsatz der Aufmerksamkeit und der Wahrnehmung erlernen Patient*innen so komplexe Strategien wie z.B.: Wie muss ich aufstehen, wenn ich vermeiden will, dass die Hand fest wird? Was muss ich denken und fühlen, sodass ich nicht mehr das Becken beim Gehen hochziehe? Worauf muss ich mich konzentrieren, damit ich eine Bewegung korrekt ausführen kann? Was muss ich fühlen, um zu wissen, dass ich gerade sitze? Wie verhalte ich mich, um keine Schmerzen zu bekommen? Wie kann ich meinen Körper in einen entspannten Zustand bringen?

Übung 1. Grades

Zu Beginn, bei den so genannten Übungen ersten Grades, wird die Bewegung ausschließlich vom Therapeuten geführt. Patient*innen dürfen sich bei geschlossenen Augen ganz auf das Fühlen konzentrieren. Sie sollen z.B. verschiedene Stellungen des Kniegelenkes erkennen, oder verschiedene Figuren oder Oberflächen erfühlen, über die die Fingerkuppe bzw. die ganze Hand geführt wird.

Dieses Fühlen verlangt die 100%ige Konzentration und ist daher auch anstrengend, nicht körperlich, sondern mental.

Übung 2. Grades

In Folge, bei den Übungen zweiten Grades, sollen die Informationen nun unter motorischer Mithilfe von Patient*innen eingeholt werden. Therapeut*innen sollen dabei gerade so viel unterstützen, dass es zu keinen fehlerhaften Bewegungen kommt, oder dass z.B. die Hand nicht fest wird.

Übung 3. Grades

Bei Übungen dritten Grades übernehmen Patient*innen die Bewegung zunehmend, sodass sie dann selbstständig ausgeführt werden können.

Die Neurokognitive Rehabilitation stellt also einen aufbauenden Lernprozess dar, bei dem Therapeut*innen nicht nur die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit der Patient*innen beachten soll, sondern auch dessen persönliche Interessen, seine Charaktereigenschaften und seine Lebensgeschichte. Unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung gibt die Neurokognitive Rehabilitation den Patient*innen die Möglichkeit, den eigenen Körper besser zu verstehen, damit sie wieder aktiver und selbstbestimmter am Alltag / im Beruf teilhaben können.